Die Grundlagen für Väterkarenz wurden in Österreich bereits 1989 geschaffen. In Europa sind wir jedoch Schlusslicht in Bezug auf Väterkarenz. Unser CEO Matthias nimmt gerade seine zweite »Papa-Karenz«, Product Owner & Coach Christof hat dieses Frühjahr seine Premiere als Vollzeitpapa. Uns haben die zwei vorab ihre Bedenken, Erwartungen und Erfahrungen verraten.
- Autorin
- Sabrina Fleisch
- Datum
- 4. März 2025
- Lesedauer
- 9 Minuten
Im Gespräch mit Christof, Product Owner & Coach
War für dich immer klar, dass du in Väterkarenz gehen möchtest? Wenn ja, warum?
Ja, weil ich mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen will. Die Baby- und Kleinkindzeit vergeht wie im Flug und ich möchte diese Zeit bewusst erleben. Außerdem möchte ich selbst erfahren, wie es ist, Vollzeit-Papa zu sein. Das hilft mir sicher auch zu verstehen, welche Belastungen meine Partnerin bisher für uns getragen hat – die Aufgaben, den Mental Load und alles, was dazugehört. Trotzdem möchte ich die Dinge auf meine Weise angehen.
Wie steht dein Freundeskreis zur Väterkarenz?
In meinem Freundeskreis gibt es bereits einige, die die Papa-Karenz in Anspruch nehmen. Ich denke, dass bei der Entscheidung die Higher Education eine Rolle spielt. Mir ist klar, dass ich privilegiert bin, weil wir es uns finanziell leisten können, dass ich in Väterkarenz gehe. In Familien, in denen der Vater nach wie vor deutlich besser verdient als die Mutter, stellt sich die Frage, ob der Papa in Karenz geht, vermutlich eher nicht.
Ich wäre gerne länger als 2 Monate in Karenz gegangen, aber am effizientesten ist bei uns das Modell 10+2 (Anmerkung: ein Elternteil nimmt 10 Monate Karenz bzw. Kinderbetreuungsgeld in Anspruch, das andere 2 Monate). Andere Länder zeigen aber, dass es auch anders gehen würde.
Welche Überlegungen, Bedenken und Zweifel hattest du im Vorfeld?
Generell hatte ich keine Zweifel oder Bedenken, aber das ist vermutlich Typsache. 🙂 Ich habe bei Fusonic viel Support erlebt, als ich meine Papa-Karenz angekündigt habe und das schätze ich sehr. Dass ich trotz meiner Rolle als Product Owner & Coach diese Auszeit nehmen kann, ist nicht selbstverständlich und wird vor allem durch mein Team möglich gemacht, das meine Aufgaben so lange übernimmt. Rechtlich gesehen habe ich Anspruch auf Väterkarenz, aber zu wissen, dass das Unternehmen das unterstützt und nicht nur duldet, ist sehr angenehm. Unsere Founder gehen mit gutem Beispiel voran und waren selber im Papamonat und in Väterkarenz.
Wie organisiert sich dein Team in deiner Abwesenheit? Wie gehts dir mit dem Gedanken, dass die Ducks eine Weile ohne dich im Teich schwimmen?
Lustigerweise konnten wir die Väterkarenz schon für 6 Wochen »ausprobieren«, weil ich im Sommer einen Unfall hatte und das Team spontan für mich einspringen musste. Dabei haben sich meine Teamkolleg:innen absolut bewährt und ich bin mir sicher, das werden sie jetzt wieder tun.
Generell musste ich mir nie Sorgen um den Output des Teams machen. Aber natürlich beschäftigt mich der Gedanke, dass die anderen durch meine Abwesenheit belastet werden und ich dem in meiner Coach-Rolle nicht sofort entgegenwirken kann. Die Ducks sind aber bestens vorbereitet und so kann ich guten Gewissens meine Väterkarenz antreten.
Was für mich persönlich eine Challenge wird, ist mit Schlafmangel den Haushalt zu schmeißen, ständig zu kochen, »dem Chaos freien Lauf zu lassen« und meinen inneren Monk zurückzustellen. (Anm. d. Red.: Christofs Sohn lernt gerade selber zu essen)
Welche Erwartungen und Hoffnungen hast du in Bezug auf deine Karenz?
Ich möchte viel Zeit mit meinem Sohn verbringen und erreichen, dass er seine Arme nach mir ausstreckt, wenn ich den Raum betrete – auch wenn Mama da ist. 😉
Interview mit Matthias, CEO & Gründungsmitglied
Du warst ja schon einmal in Väterkarenz, jetzt steht die zweite an. Wie hat deine Erfahrung aus der ersten Karenz deine Entscheidung für die zweite beeinflusst?
Meine erste Papa-Karenz vor drei Jahren war eine unvergessliche Zeit mit meinem damals einjährigen Sohn und meiner Frau. Vom gemeinsamen Urlaub über den Umzug ins neue Zuhause und die Eingewöhnung in der Kinderbetreuung war alles dabei. Eine so intensive Zeit für die Familie ist selten, weshalb ich mich auch jetzt für eine - wenn auch kürzere - Karenz entschieden habe. Kürzer deshalb, weil ich gemerkt habe, dass eine längere Auszeit für mich aktuell nicht praktikabel ist. Die geplanten 2,5 Monate sind organisatorisch gut überbrückbar, während eine längere Karenz eine andere Vertretungsregelung erfordern würde.
Hast du andere Erwartungen an die Karenz, als du es damals an die erste hattest?
Ich möchte auch dieses Mal die Zeit bewusst nutzen, um meine Kinder intensiv im Alltag zu begleiten. Außerdem steht wieder die Eingewöhnung meines jüngsten Sprösslings an. Gleichzeitig bin ich natürlich routinierter und auch realistischer. Meine Erwartung ist, mich auf die Familie fokussieren zu können, aber auch ausgewählten Themen bei Fusonic die notwendige Zeit einzuräumen und am Ball zu bleiben.
Welche Learnings hast du aus der ersten Karenz mitgenommen?
Privat war es unglaublich befreiend, diese Auszeit zu nehmen – vor allem die ersten zwei Monate, in denen ich wirklich komplett raus war. Vorher hatte ich nie sehr lange am Stück frei. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass eine Karenz keine echte Auszeit ist, wenn man sich auch nur minimal in die Firma einbringt – dann wird es schnell zur Herausforderung. Abgrenzung ist sehr wichtig.
Ich habe dadurch auch bestätigt bekommen, wie wertvoll ein starkes Team ist. Alle haben mitgeholfen, damit die Auszeit für mich möglich ist. Natürlich gibt es immer einzelne Themen, die schwierig sind, aber insgesamt war es eine sehr positive Erfahrung. Und ich habe gelernt: Es geht – wenn man es einfach macht.
Du arbeitest als CEO in Teilzeit – etwas, das bei Führungskräften noch selten ist. Welche Erfahrungen kannst du anderen mitgeben?
Viele zerdenken das Thema zu sehr. Mein Rat wäre: Nicht grübeln, ob es möglich ist, sondern einfach entscheiden, dass man es macht – und danach überlegen, wie man es umsetzt. Natürlich gibt es Herausforderungen, aber wenn ich von Anfang an davon ausgehe, dass es nicht klappt, werde ich auch nur die möglichen Probleme sehen. Wenn ich es als gegeben betrachte, finde ich Lösungen.
Wie siehst du die Vereinbarkeit von Führungskräfte-Teilzeit und Unternehmenserfolg?
Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass eine Führungskraft immer anwesend sein muss, um wirksam zu sein – daran glaube ich nicht. Ein wertvoller Beitrag entsteht nicht durch Anwesenheit, sondern durch eine intensive Auseinandersetzung mit strategisch wichtigen Themen. Diese Aufgabe beschränkt sich sowieso nicht nur auf die Arbeitszeit. Natürlich ist es sinnvoll, wenn gute Leute möglichst viel Zeit für das Unternehmen aufbringen. Eine individuelle Vereinbarung in Hinblick auf den Umfang ist aber auf jeden Fall sinnvoller als ein Zwang zur Vollzeitarbeit oder mehr.
Bin ich im viel zitierten »mittleren Management«, habe ich vielleicht nur geringen Einfluss auf Regeln und Akzeptanz zeitgemäßer Arbeitszeitmodelle. Als Geschäftsführer sehe ich mich aber in der Verantwortung, ein zukunftsorientiertes Umfeld zu schaffen, in dem flexible Modelle möglich und willkommen sind. Und das nicht nur für Eltern in Form von Karenz, sondern auch in Bezug auf Teilzeitmodelle oder andere Auszeiten ohne Angabe von Gründen.
Fazit zur Väterkarenz
Die Erfahrungen von Matthias zeigen, dass Väterkarenz eine wertvolle Zeit für die Familie sein kann – wenn das Umfeld es ermöglicht. Christof erlebt gerade seine erste Karenz und wie sich die Theorie in der Praxis bewährt. Doch eines wird bereits jetzt klar: Die Entscheidung für Väterkarenz ist oft von finanziellen, beruflichen und gesellschaftlichen Faktoren geprägt.
Damit mehr Väter diese Möglichkeit nutzen, braucht es nicht nur individuelle Entschlossenheit, sondern auch eine Unternehmenskultur, die moderne Familienmodelle aktiv unterstützt.